Schwerpunktthema B: Nachhaltige Siedlungsentwicklung

Die Folgen des starken Bevölkerungsrückgangs sind vielfältig spürbar und stellen den Landkreis Stendal vor große Herausforderungen. Direkte Auswirkungen ergeben sich für das Wohnungs- und Siedlungswesen. Leerstand und zunehmender Verfall von Gebäuden sowie fehlende Belebung größerer innerörtlicher Areale sind sichtbar. Erste Projekte zur Datenerfassung und Darstellung des Brachflächenbestandes und leerstehender Objekte in Geoinformationssystemen (GIS) haben die enormen Zukunftsaufgaben in diesem Bereich aufgezeigt. So liegt u.a. ein umfassendes Brachflächenkataster für drei Gemeinden im Landkreis vor. (1) Auf einer Fläche von insgesamt 824 km² sind über 600 leerstehende Objekte mit einer Gesamtfläche von rund 400 ha erfasst worden. Dazu gehören u.a. Wohn- und Verwaltungsgebäude, Industrie- und Gewerbeflächen oder landwirtschaftliche Objekte. Die überwiegende Zahl der Brachobjekte bzw. -flächen befindet sich in privatem Eigentum oder in ungeklärten bzw. komplexen Eigentumsverhältnissen.

Es ist anzunehmen, dass die Problemlagen und ermittelten Leerstandsquoten auch in den anderen Kommunen des Landkreises in ähnlichen Größenordnungen vorhanden sind. Ausgehend vom prognostizierten Bevölkerungsrückgang ist mit einer weiteren Zunahme des Leerstands im Landkreis zu rechnen. Bis 2025 wird ein zusätzlicher Wohnungsleerstand von über 10.000 Wohnungen prognostiziert, das sind über 18 % der aktuellen Haushalte. Diese Zahlen verdeutlichen die Notwendigkeit, sich aus regionaler Sicht intensiv mit diesem Thema zu befassen.

Ein öffentliches Bewusstsein für das beschriebene Problem besteht bisher nur in Ansätzen. Ebenso fehlen die erforderlichen finanziellen Mittel, um die Objekte bzw. Flächen zu sanieren oder rückzubauen. Ohne geeignete Maßnahmen und aktives Handeln wird sich das Problem künftig verstärken und negative Auswirkungen auf die Siedlungsentwicklung und damit die Attraktivität der Orte haben. Mehrere Maßnahmenschritte sind daher notwendig, um einen aktiven Prozess unter Einbindung der Eigentümer in Gang zu setzen und für jeden Einzelfall die optimale Lösung zu finden. Optionen können einerseits Abriss und Rückbau sein, andererseits aber auch die Sanierung oder Umnutzung von Gebäuden und Plätzen auf Basis innovativer und kreativer Ideen.

Strategische Ziele und zentraler Ansatzpunkt
Durch Land(auf)Schwung kann dieser beschriebene Prozess unterstützt werden, indem Lösungen für eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung bei abnehmender Bevölkerung entwickelt und angewendet werden. Der Fokus soll auf innovative Ansätze der Immobilienwirtschaft gerichtet sein. Dieser Sektor hat bisher in regionalen Entwicklungsstrategien oft nur eine untergeordnete Rolle gespielt, obwohl mit diesem sowohl eine große Wertschöpfung als auch siedlungs- und gesellschaftspolitische Zielstellungen verbunden sind. Deshalb ist es notwendig, sich mit den Potenzialen und Entwicklungschancen im Detail zu befassen und aufzuzeigen, wo vor dem Hintergrund der beschriebenen Problematik konkreter Unterstützungsbedarf gegeben ist.

Ausgehend von der Wertschöpfungskette Regionales Immobilienmanagement kann finanzielle Unterstützung für die WSK-Stufen erfolgen, für die keine finanziellen Mittel und Kapazitäten vorhanden sind. Durch Schließen dieser Ressourcenlücke soll es gelingen, neue regionale Wertschöpfung zu generieren. Die fünf nachfolgenden strategischen Ziele konkretisieren das Schwerpunktthema.

Entwicklungsziele
B1) Stärkung der Innenrevitalisierung sowie Erhalt intakter Ortskerne und wertvoller historischer Bausubstanz in den Städten und Dörfern
B2) Stärkung der Wertschöpfung in der regionalen Immobilienbranche
B3) Erprobung und Etablierung alternativer Finanzierungsinstrumente
B4) Entwicklung neuer Kooperationsformen und Ansätze der lokalen Zusammenarbeit zur Realisierung regionaler Projekte
B5) Initiierung eines aktiven Prozesses und Verstetigung von Strukturen zum Umgang mit Leerstand und Brachflächen

Diese Ziele sind durch werden durch die operationalisierten Ziele weiter konkretisiert (siehe Tabelle Zielvorgaben).

Der zentrale Ansatzpunkt liegt in der Entwicklung, Erprobung und Umsetzung innovativer Ideen zur Nach- und Umnutzung leer stehender oder von Leerstand bedrohter Gebäude sowie brachliegender Flächen im Innenbereich von Städten und Dörfern. Durch Unterstützung von Aktivitäten zum Marketing, zur Gewinnung des notwendigen Kapitals sowie zur konzeptionellen Planung soll die Wirtschaftlichkeitslücke, die zu Beginn der Wertschöpfungskette vorhanden ist, geschlossen werden. Hiermit werden die Grundlagen für Investitionen und nachhaltige Nutzungsoptionen gelegt.

Durch die Inwertsetzung langfristig ungenutzter Flächen und Objekte kann ein Beitrag zum Erhalt attraktiver Ortsbilder sowie zum verantwortungsvollen Umgang mit Flächenressourcen geleistet werden. Die Fokussierung auf die Innenentwicklung der Städte und Dörfer ist auch ein Beitrag, das Ziel der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung von 2002 zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu unterstützen.

Wertschöpfungskette Regionales Immobilienmanagement
Der Schwerpunkt der Förderung ist objektbezogen und erfolgt vorrangig auf den WSK-Stufen 2-4 und 6 (vgl. Abb. 4). Im Rahmen von Land(auf)Schwung soll die Ressourcenlücke der dargestellten WSK-Stufen geschlossen werden, so dass die Grundlagen für Investitionen und damit nachhaltige Vorhaben der Innenrevitalisierung erfolgen können.

Stufe 1: Leerstand
Die Basis für die geplanten Aktivitäten stellt die Erfassung der Leerstandsobjekte bzw. der innerörtlichen Brachflächen dar. Erste Ansatzpunkte bietet ein GIS-basiertes Brachflächenkataster, wie es bereits für drei Kommunen des Landkreises vorliegt.

Stufe 2: Analyse
Auf dieser Stufe erfolgt die Bewertung der Immobilien bzw. Flächen in Bezug auf künftige Nutzungsoptionen. Hierzu gilt es, mögliche Nachfrager zu ermitteln und die Marktsituation abzuschätzen.

Stufe 3: Projektentwicklung
Initiiert werden soll ein kreativer und wirtschaftlich tragfähiger Umgang mit Leerstand und Brachen. Für die Realisierung von nachhaltigen Nutzungsideen fehlen in der Regel sowohl notwendige Unterstützer wie auch die finanziellen Mittel. Auch für die Kommunen gibt es zahlreiche Handlungsoptionen mit positiven Wirkungen auf den Immobiliensektor.

Dazu gehören die Entwicklung von Projekten zur Gestaltung des Wohnumfeldes bzw. des Ortsbildes sowie Maßnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung und zur Beratung der Eigentümer. Planungsprozesse zum Leerstand in Dörfern und Maßnahmen zur Nutzung der Flächen und Objekte müssen zielgerichtet aufgebaut und gesteuert werden. So kann u.a. aufgezeigt werden, wie Investitionen wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden können, indem Folge- und Unterhaltungskosten in die Betrachtung einfließen.

Stufe 4: Finanzierung
Hinsichtlich der Investitionsplanung sollen alternative Finanzierungsinstrumente geprüft und erprobt werden. Geplant ist dabei eine verstärkte Bürgerbeteiligung. Im Ergebnis sollen Modellbeispiele geschaffen werden, die sowohl regional wie auch überregional übertragen werden können.

Stufe 5: Projektrealisierung
Bei wirtschaftlich tragfähigen Nutzungsoptionen sollen auf dieser WSK-Stufe Investitionen realisiert werden. Hierfür sind vorrangig privatwirtschaftliche Mittel vorgesehen. Ergänzend kann auf Instrumente aus der Regelförderung wie Dorferneuerung und Dorfentwicklung, Stadtumbau, städtebaulicher Denkmalschutz sowie CLLD/LEADER oder andere Landesprogramme zurückgegriffen werden. Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr (MLV) hat in seiner Bereitschaftserklärung in Aussicht gestellt, Projekte, die den Zielen des vorliegenden Konzepts entsprechen, vorrangig aus bestehenden Richtlinien zu fördern. Nur wenn keine anderen Programme zur Verfügung stehen, können durch Land(auf)Schwung investive Maßnahmen gefördert werden.

Stufe 6: Vermarktung
Angesichts des angespannten Immo-bilienmarktes in den Metropolregionen, bei knappem Bauland und hohen Kaufpreisen, gewinnt der ländliche Raum zunehmend an Bedeutung als Wohnstandort. Interessenten für das Leben auf dem Land finden hier deshalb vergleichsweise günstige und attraktive Wohnimmobilien zum Erwerb. Deshalb sollen innovative Vermarktungsaktivitäten gezielt unterstützt werden. Die Bewerbung soll dabei sowohl innerhalb der Region als auch in den angrenzenden Ballungszentren erfolgen.

Stufe 7: Nutzung
Nach erfolgter Investition sind laufende Aktivitäten zur Bewirtschaftung, Verpachtung, Vermietung und Instandhaltung auf der letzten WSK-Stufe angesiedelt. Bei einem erfolgreich angewandten Finanzierungsmodell sind diese wirtschaftlich nachhaltig tragfähig und müssen nicht mit Fördermitteln unterstützt werden.

1) Vgl. Abschlussbericht „Entwicklung eines Brachflächenmanagements zur Aktivierung ungenutzter Flächenpotenziale im Rahmen eines nachhaltigen lokalen Flächenmanagements in der Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck, der Hansestadt Osterburg und der Stadt Bismark“, 2014, S. 14 ff.